Von Wilhelm Stephen Hruschka und Theo Gasperlmayr
In unserem letzten Artikel mit der Überschrift Kinesiologie haben wir vor allem unser Verständnis von einem ganzheitlichen Denken beschrieben. Doch was ist nun Kinesiologie? Das Wort bedeutet “Lehre von der Bewegung”. Es ist auch ein wesentlicher Ansatz dieser Methode, durch ein Verbessern der Funktion und Koordination von Muskeln eine Verbesserung anderer Körperfunktionen zu erreichen. So gibt es zahlreiche kinesiologische Bewegungsübungen, die dazu dienen, Energiebahnen zu aktivieren und den Energiefluss im Körper zu erleichtern, wodurch zum Beispiel die Konzentrationsfähigkeit gesteigert werden soll.
Der/Die KinesiologIn will jedoch nicht nur durch Ansatz an der Muskulatur das allgemeine Wohlbefinden beeinflussen, sondern kann auch mit Hilfe des “Muskeltests” Informationen über den momentanen körperlichen und seelischen Zustand einer Person ablesen. So wird Kinesiologie zu einer Kommunikationsmethode mit (auch unbewussten) Schichten unseres Körpers. Der Muskeltest ist eine Befragungstechnik, die in allen Kinesiologieformen zu finden ist. Das kann z. B. so gemacht werden:
Der Klient hält seinen Arm ausgestreckt und spannt dadurch seine Schultermuskeln an. Der/die Kinesiologie kann nun austesten, ob diese Schultermuskeln auch einer (angemessenen) Belastung standhalten und zieht den Arm am Handgelenk nach unten. Der Klient wird seine Schultermuskeln anspannen und somit trotz Belastung den Arm in der gleichen Position halten können. Berührt er jedoch zur selben Zeit z. B. eine schmerzhafte Stelle (im Bild das Knie), verliert der Muskel seine Kraft. Der Arm gibt nach. Dieser plötzliche Wechsel in der Muskelstärke kann nicht nur durch Berühren eines schmerzhaften Punktes ausgelöst werden. Wir verstehen diese Muskelreaktion vielmehr als einen Versuch des Körpers etwas über seinen inneren Zustand zu erzählen. Der Körper reagiert auf seine individuelle Weise auf das, was ihn im Moment betrifft, ihn “berührt”.
Das kann eine Erinnerung sein, ein Gefühl, eine Körperhaltung. Druck auf einen Akupunkturpunkt, eine Farbe, eine Bachblüte, usw. Diese Informationen, auf die der Klient beim Muskeltest reagiert, können wir nun wie Mosaiksteinchen sammeln. Nach einiger Zeit entsteht daraus ein Bild, das dem Klienten seine Situation verständlicher macht und auch dem Kinesiologen zeigt, wie er sich mit den ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeiten am besten einbringen kann. Eine Patientin hatte z. B. verspannte Schultern. Sie brachte diese in Zusammenhang mit ihrer Arbeit vor dem Computer und dem Arbeitsstress, den sie in letzter Zeit hatte. Über den Muskeltest konnten folgende Zusammenhänge hergestellt werden. Sie reagierte auf
- Einziehen des Kopfes wie in einer Angstsituation
- die Erinnerung, als Kind immer das Gefühl gehabt zu haben, den Erwartungen des Vaters entsprechen zu müssen
- die Bach-Blüte “Rock Water”
- einige Akupunkturpunkte am Blasenmeridian.
Die Patientin erkannte im Laufe der Sitzung, dass sich in ihrer Arbeit wieder das alte Verhaltensmuster eingeschlichen hatte, wo sie sich selbst unter Druck setzte und ihren hohen Erwartungen entsprechen wollte. Sie reagierte wieder auf die in dieser Sitzung erarbeitete Affirmation: “Ich nehme mich an, so wie ich bin und lasse meine Fähigkeiten wachsen”. Bereits während der Sitzung konnte Sie eine merkliche Verbesserung der Schulterspannungen beobachten. Ihren Satz, die Affirmation, sollte sie in den nächsten Tagen noch in Erinnerung behalten und sich öfters vorsagen.
Der Abfragemodus ist in den jeweiligen Kinesiologieformen recht unterschiedlich. Es gibt Kinesiologierichtungen, in denen viel gesprochen wird und die Muskelreaktion als “ja” oder “nein” interpretiert wird. Andere Richtungen verschaffen sich einen Überblick nur durch Berühren von Testpunkten (z.B. Akupunkturpunkte, Neurovaskuläre Punkte etc.), Austesten von Allergien, Enzymen, Blüten… Im Zentrum aller Kinesiologiemethoden steht jedenfalls der Muskeltest, der immer als Orientierungshilfe dient und in der Kommunikation zwischen Kinesiologen und Klient möglichst rasch hilfreiche Beziehungspunkte herstellen soll.